Anstoß zum Aufbruch

Bildschirmfoto 2015-08-20 um 12.04.06Es hat ja keiner behauptet, dass ein Weg einfach sein muss, um ein schöner, ein guter Weg zu sein. Dasselbe gilt für Bücher. Gerhard Fitzthum, Philosoph, Journalist und Wanderer, hat ein Buch über Wege und das Wandern geschrieben. Seine Essay-Sammlung heißt „Auf dem Weg. Zur Wiederentdeckung der Natur“. Er schreibt über die Asphaltierung der Landschaft, geschuldet der Vorstellung einer autogerechten Welt, über den „Fluchtpunkt Wildnis und den Willen zum Naturerlebnis zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit“. Und sieht den modernen Menschen in der selbstgebauten Falle: Erst hat er sich die Natur, um nicht zu sagen die Erde, untertan gemacht. Und nun sehnt er sich wieder nach dem Draußensein „ohne Netz und doppelten Boden“. Der Autor dreht und wendet den Begriff „Wildnis“, der als der Menschenwelt gegenüberstehendes Anderes begriffen wird. Wildnis existiert nur durch den Menschen, durch seine Definition des Gegensatzes, als Gegenpol zur Zivilisation. Fitzthum schreibt über Lärm und eine fehlende Lärmkritik; stellt Überlegungen zum Ende der Nacht an, da sie ihre beiden Hauptmerkmale verloren habe: Stille und Dunkelheit. Fitzthum arbeitet sich auf am Damoklesschwert fernmündlicher Unterbrechungen von Gesprächen. Es mache naturgemäß keinen Sinn mehr, Themen anzusprechen, deren Behandlung mehr als zwei, drei Sätze erfordert, schießlich gehe die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der Sache bleiben könne, gen Null. So massiv wird die Bedrohung nicht jeder empfinden, auch diejenigen nicht, die einen achtsamen Umgang mit Handy und Smartphone pflegen. Aber Fitzthum schreibt diese und andere Beobachtungen auf, gesagt sein muss es doch einmal. Vor allem aber schreibt er eine Philosophie des Wanderns. Fitzthum, Jahrgang 1955, promovierte in Philosophie und schreibt als Reisejournalist für die F.A.Z. und andere, ist Autor philosophischer Radioessays und arbeitet als Wanderführer in vergessenen Alpenregionen. Er differenziert beim Wandern zwischen Langsamkeit und Passivheit, und hat dabei eine genau umrissene Vorstellung des Wanderns, das er meint; abgegrenzt vom Alpinismus, von dem er offensichtlich wenig hält, aber auch vom städtischen Spazieren. Nicht der Wanderer vereinnahme die Landschaft, sondern werde beim Wandern von ihr vereinnahmt. Diese Meinung mag man teilen oder nicht, Fitzthum gelingt es immer wieder, das Denken – seiner Leser – anzustoßen. Und regt somit an, sich auf den Weg zu machen. Mit dem Kopf und mit den Füßen.   Gerhard Fitzthum: Auf dem Weg. Zur Wiederentdeckung der Natur. 249 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag. Die Graue Edition. ISBN 978-3-906336-64-0. € 24,00.

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